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KULTURELLE BILDUNG

Kulturelle Bildung heute - Franz Billmayer

I Kulturbegriff

Die Diskussion des Kulturbegriffs und der aktuellen Kultur zeigen, dass sich kulturelle Bildung heute nicht darin erschöpfen kann, Kindern und Jugendlichen einen Zugang zur Welt der Kulturinstitutionen zu schaffen. Diese folgen dem normativen Kulturbegriff. Ausgehend von diesem Begriff gibt es Leute, die der Kultur näher und solche die ihr ferner stehen. Die Hochkultur kann für sich heute keine höhere Form von Relevanz beanspruchen als andere kulturelle Szenen und Milieus. Empirisch gesehen haben höchstens 10% der Bevölkerung Zugang zur hochsubventionierten Hochkultur. Wer diese in der Bildung fördert, macht Werbung für eine spezifische Szene. So lernen all jene, die nicht zu diesem Milieu gehören, dass sie ungebildet sind. Mangelnder Zugang wird nämlich als Mangel an Bildung und Wissen verstanden und nicht als eine Form der sozialen Ab- oder Ausgrenzung. Ebenso wird mangelndes Interesse mit fehlenden Erfahrungen, falschen Rezeptionsgewohnheiten und mangelndem Wissen erklärt und nicht etwa mit einem anderen Geschmack oder einfach anderen Interessen.

Was kulturelle Bildung meint, ist davon abhängig, was die Leute jeweils unter Kultur und kulturell verstehen.

1. Institutioneller Kulturbegriff

Hier wird Kultur im engen Sinne mit dem in Verbindung gebracht, was in den Kultureinrichtungen gesammelt, aufgeführt und verwaltet wird. Dies ist notgedrungen ein normativer Kulturbegriff. Außerdem wird hier die Vorstellung mittransportiert, dass Kultur von Spezialisten „produziert“ wird. Damit kommt es zu einer Unterscheidung zwischen Akteuren/Produzenten und Publikum. Man kann sagen, dass es sich damit auch um einen konsumistischen Kulturbegriff handelt.

Mangelndes Interesse und mangelnde Wertschätzung der „Kultur“ wird mit Unwissenheit und fehlender Erfahrung erklärt, weil Kultur und Kunst irgendwie gleich gesetzt und als umfassende Angelegenheit verstanden werden, die eigentlich alle angeht und damit auch alle interessieren sollte.
Erscheinungen der Alltagskultur werden dagegen als Subkulturen oder als Sonderinteressen verstanden, Vorlieben entweder als Geschmack verstanden oder mit Manipulation durch den Markt erklärt. Wer volkstümliche Musik schätzt ist manipuliert, wer klassische Musik hört gebildet.

2. Holistischer oder soziologischer Kulturbegriff

Hier geht man davon aus, dass Kultur etwas alle Bereiche des menschlichen (Zusammen-) Lebens Betreffendes ist. Unter Kultur werden alle Artefakte, Verhaltensweisen, Einstellungen, Werte, Sichtweisen zusammengefasst. Kultur wäre hier vor allem der Normalfall, die Routine. Routine und Normalität liegen in der Regel unter der Wahrnehmungsschwelle, sie fallen uns erst auf, wenn es zu Fehlern kommt, oder wenn wir z.B. auf Reisen in ungewohnter Umgebung sind.

II Kulturelle Kompetenz

Wer kulturelle Kompetenz, also angemessenes Agieren in einer Kultur, die stark von Visualität und symbolischer und ästhetischer Ausdifferenzierung bestimmt ist, beim Nachwuchs erzeugen will, muss neue Methoden entwickeln und darf sich nicht nur auf den kleinen kulturellen Sektor „Kunst“ beschränken. Visuelle Kultur zu denken und zu unterrichten (Arvedsen & Illeris, 2013), ist die Herausforderung für die allgemeinbildende Schule der nächsten Jahre und Jahrzehnte.
Gegenstand des Unterrichtens ist z.B. die gesamte visuelle Kultur. Dieser ist mit Interesse oder besser Neugierde und ohne normative Vorgaben zu begegnen. Es geht darum, zu verstehen und nicht zu bewerten. Die Schülerinnen und Schüler sollen angemessen agieren und ihr Agieren auch bedenken, verändern, diskutieren und begründen können. Das brauchen wir privat ebenso wie in beruflichen und politischen Zusammenhängen. Dazu brauchen wir passende Begriffe und Fertigkeiten.

Diese zu entwickeln, ist gar nicht so einfach, weil die Kultur der Normalfall ist und Normalität sich dadurch auszeichnet, dass sie nicht auffällt. Das ist gut so; denn wir sollen im Alltag ohne (viel) Nachdenken routiniert handeln können. Um das Normale zu Gesicht zu bekommen, müssen wir Verfahren entwickeln, die den Alltag als Kultur sichtbar machen.

Der Kulturbegriff wird nicht normativ, sondern deskriptiv und analytisch verwendet. Kultur wird pragmatisch. Es geht um die Probleme, die durch kulturelles Verhalten und kulturelle Produktion gelöst werden und welche durch sie entstehen. Kulturelles Verhalten und kulturelle Produktion haben viele unterschiedliche Ziele: Vergemeinschaftung, Vorhersagbarkeit von Verhalten, Identitätskonstruktion, Selbstbeobachtung, Spiel, Produktion von Sinn, soziale Vernetzung, innovatives Denken, ästhetische Erfahrung, Aufbau sozialer Distinktionen (Inklusion und Ausgrenzung), Reduktion von Komplexität, Steigerung von Komplexität, Unterhaltung, Propaganda, Konstruktion von Tradition und Kontinuität, Konstruktion von gemeinsamen Wertvorstellungen, Infragestellen von Wertvorstellungen, Entschleunigung oder Verdichtung von Zeit, Etablierung von Macht, Dekonstruktion von Macht usw.

Beispiel von Alltagskultur
Die Konsumkultur ist unsere gemeinsame Kultur und wird deshalb zu einem (zentralen) Gegenstand kultureller Bildung. Es geht darum, sie in ihrer Normalität zu verstehen.

Da Konsumprodukte und der Umgang mit ihnen alle Schülerinnen und Schüler der entwickelten Gesellschaften betreffen, eignen sie sich als Themen für den Unterricht. Niemand wird aufgrund seiner Herkunft oder seines Geschlechtes diskriminiert.
Die globale (Konsum-)Kultur bietet eine tragfähige Möglichkeit, alle zu erreichen und so ein vertieftes Verständnis für Struktur und Funktion von Kultur zu erwerben. Allerdings darf sie nicht (mehr) als trivial, banal, kommerziell, manipulativ oder sonst wie minderwertig abgetan werden. Ein Umfrage in Österreich hat ergeben, dass Kinder und Jugendliche ihr normales Verhalten im Gegensatz zum Angebot von Kulturinstitutionen (Theater, Konzert, Museum) nicht als Kultur empfinden (Wimmer u.a. 2012, S. 304 f). Die Konsumkultur sollte deshalb als (Hoch)Kultur behandelt werden, die die gleichen Funktionen erfüllt wie die institutionelle Kultur (Ullrich 2009). „In visual culture pedagogy all kinds of visual narratives are seen as equally relevant, even the ‘smallest’“ (Illeris&Arvedsen, 2011: 46).

Das fällt schwer, wenn man wie die meisten in der kulturellen Bildung engagierten PädagogInnen in der „elitären“ Subkultur Kunst sozialisiert wurde. Diese konstituiert sich ja gerade dadurch, dass sie sich von der Trivialität und Banalität des so genannten Mainstream abhebt. Den eigenen ästhetischen Interessen wird ein hohes Maß an Komplexität und geistiger „Tiefe“ zugeschrieben. Den Anderen wird dies abgesprochen.

III Normalität erkennen

Kulturelle Bildung, die Aufklärung über Mechanismen von kulturellem Verhalten und Verständnis für die eigene Kultur leisten will, muss sich darum kümmern, Normalität sehen zu lernen. Folgende Beispiele:

Das Fest des Huhnes:
Der Film kann als Handbuch zum Erkennen von Normalität verwendet werden. Er arbeitet mit dem ethnografischen Blick, er ist Satire und arbeitet auch mit genauer Beobachtung und Übertreibung.

Supermarkt als Lernort:

Produktgruppen
Gegenstand der Untersuchung ist eine Produktgruppe, z.B. Schokolade, Tierfutter, Parfums, Milch, Mineralwasser, Duschgels.
Analytisch

Die verschiedenen Produkte werden untereinander verglichen: Verpackung, Farben, Schriften, Konzepte, Logo, Bildmotive ...
Welche Vorstellungen von Milch zeigen sich auf Milchverpackungen? Wo kommt die Milch her? Wie werden Frische und Natürlichkeit kommuniziert?
Gestalterisch

Relaunch eines Produktes z.B. Joghurt für Katzen; ein Produkt für eine bestimmte Zielgruppe entwerfen, z.B. Sonnencreme für Bauarbeiter (Luger 2013), Mineralwasser für Volksschulkinder, ...

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